Ob aus diätetischen Gründen oder aus reiner Neugier – von Stevia haben die meisten vermutlich schon einmal gehört. Vor einigen Jahren hat Stevia die lokalen Märkte erreicht und ist nun als Zucker-Alternative in gut sortierten Supermärkten zu finden. Doch was haben die meist kleinen weißen Zucker-Pillen noch mit dem ursprünglichen Kraut zu tun?

Der botanische Name des bekanntesten Stevia-Krauts lautet Stevia rebaudiana Bertoni. Insgesamt gibt es über 230 verschiedene Stevia-Arten, die zur Familie der Korbblütler zählen. Doch aufgrund ihrer extrem starken Süßkraft hat Stevia rebaudiana Bertoni im 16. Jahrhundert den Weg von Paraguay nach Europa gefunden. Benannt wurde sie dann erst im 20. Jahrhundert nach dem Schweizer Botaniker Moisés Santiago Bertoni. Jedoch diente das Kraut bereits den indigenen Völkern zum Süßen von Mate-Tee. Es wurde jedoch auch eingesetzt, um sonst ungenießbare Arzneimittel geschmacklich erträglicher zu machen.

Alles rund um das Süßkraut Stevia erfahren Sie in diesem Artikel.

Wissenswerte Hintergründe zu Stevia rebaudiana Bertoni

Die Stauden der Stevia-Pflanze werden meist 60-75 cm groß. Dabei bevorzugt die Pflanze sonnige, warme und windgeschützte Standorte. Sie kann sich jedoch auch klimatischen Bedingungen anpassen. So wächst Stevia sowohl in subtropischen Gebieten als auch in gemäßigten Zonen. Lediglich Frost übersteht das Stevia-Kraut nicht. Allerdings wächst es dafür bereits auf nährstoffarmen Böden. Obwohl Stevia wie erwähnt ursprünglich aus Südamerika kommt, kann heutzutage China 80 % der weltweiten Anbaufläche vorweisen.

Die Wurzeln der Stevia-Pflanze reichen in der Regel lediglich 15 cm in die Erde hinein. Aus ihnen entwickeln sich dann nach einiger Zeit behaarte Stiele. Der oberirdische Teil der Pflanze stirbt jedoch nach Ende der Vegetationszeit ab. Die Blätter, die gegenständig aus den Stilen sprießen, können sowohl eiförmig, elliptisch sowie auch rautenförmig wachsen.

Eigentlich gilt Stevia rebaudiana als Selbstbefruchter. Allerdings liegt eine genetische Unverträglichkeit vor, sodass die Pflanze auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen ist. Allerdings liegt auch hier die Keimrate der Pflanze bei lediglich 5-10 %. Welcher Ursache dieser Umstand zuzuschreiben ist, ist bisher nicht erforscht.

Stevia-Anbau Zu Hause

Prinzipiell ist es möglich, Stevia zu Hause anzubauen. Damit das Saatgut keimt, benötigt es jedoch einen gleichmäßig feuchten Untergrund und eine Umgebungstemperatur von mindestens 22 °C Zudem entwickelt sich die Pflanze nur, wenn sie viele Stunden täglich Lichtreize treffen. Daher ist es einfacher, eine bereits kultivierte Stevia-Pflanze zu kaufen. Diese können Sie mittlerweile im Gartencenter erhalten.

Humus- und nährstoffreiche Erde sollten Sie für die Pflanze mit etwas Sand auflockern. Da die Pflanze nicht frosthart ist, muss sie im Haus überwintern. Nach den Eisheiligen dürfen Sie die Töpfe mit dem süßen Kraut dann auf den Balkon umsiedeln. Sobald auch der Boden ausreichend erwärmt ist, können Sie die Pflanzen auch im Freiland aussetzen. Wenn Sie die Triebspitzen des Süßkrauts spätestens alle drei Wochen abernten, wird die Stevia-Pflanze dazu animiert immer wieder neue Triebe auszubilden.

Mittlerweile können sie in fast jedem Gartencenter eine Stevia-Pflanze kaufen und zu Hause anpflanzen.

Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Süßkrauts

Nutzen Sie die Blätter der Stevia-Pflanze selbst, reichen fünf bis sechs Blättchen des Krauts beispielsweise für eine Kanne Tee. Sie können die Stevia-Blätter auch selbst trocknen. Dazu die Blätter von den Stielen lösen und große Blätter noch einmal etwas klein schneiden. Legen Sie die Blätter dann einlagig auf einem Backblech aus und trocknen Sie diese bei 40-50 °C im Backofen, bis sie bröselig werden. Während des Backprozesses die Backofentür nicht vollständig schließen oder immer wieder öffnen, damit die Feuchtigkeit entweichen kann.

Mit den getrockneten und gemörserten Stevia-Blättern können Sie im Anschluss beispielsweise auch Kuchen und anderes Gebäck süßen. Sie können dafür aber auch flüssiges Süßungsmittel herstellen. Dazu zwei Hände voll frische und klein gehackte Stevia-Blätter mit einem halben Liter Wasser aufkochen. Lassen Sie die Mischung nun rund zehn Minuten köcheln. Nach dem Erkalten können Sie dann den Sud durch ein Sieb in eine Flasche abfüllen. In Ihrem Liebherr-Kühlschrank können Sie das Süßungsmittel nun einige Wochen lagern. Bei der Verwendung gilt es, sich auszuprobieren, um die richtige Menge Stevia einzusetzen. Allerdings fehlt beim Einsatz von Stevia der volumen-aufbauende Effekt des Zuckers. Daher eignen sich beispielsweise Kekse oder Brownies ohne viel Volumen besser für den Einsatz von Stevia, als luftige Rührkuchen.

Vom Kraut zum Industrieprodukt

Die Blätter, der auch als Honigkraut bekannten Pflanze, gelten aktuell als Novel Food. Das bedeutet, dass sie innerhalb der EU noch nicht in beliebigen Mengen und in allen Lebensmitteln als Zutat verzehrt werden dürfen. Grund dafür ist, dass die Prüfungskommission die Pflanze noch nicht in ausreichendem Maße hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Auswirkungen geprüft hat. Seit 2017 sind Stevia-Blätter jedoch als Zusatz in Kräuter- und Früchtetees einsetzbar. Hier ist bereits sichergestellt, dass die Verzehrmengen keine gravierenden negativen gesundheitlichen Auswirkungen haben können.

Außerdem ist der Zusatzstoff E 960 zugelassen, der aus der Stevia-Pflanze gewonnen wird. Mit der Pflanze hat dieser jedoch nicht mehr viel gemein. Es handelt sich bei E 960 um sogenannte Steviolglykoside, die in aufwändigen industriellen Verfahren aus der Stevia-Pflanze extrahiert werden. Diese Süßstoffe sind als Zusatzstoffe 200-400 Mal süßer als traditioneller Haushaltszucker. Allerdings schmecken diese Steviolglykoside nicht nur süß, sondern auch leicht bitter und haben einen lakritzartigen Beigeschmack. Diesen empfinden viele Personen als störend. So können Steviolglykoside nur bedingt in industriellen Abläufen Zucker in entsprechenden Mengen ersetzen.

Trotzdem wird E 960 mittlerweile in bis zu 30 verschiedenen Produktkategorien eingesetzt. Unter anderem in Erfrischungsgetränken, Marmeladen, Joghurts, Ketchups, Bonbons, Lakritze und sogar Schokolade. Der Süßstoff ist allerdings nur für konventionelle Lebensmittel zugelassen – in biologisch erzeugten Produkten ist er deshalb nicht zu finden. Trotzdem enthalten die Lebensmittel häufig noch zusätzlich Zucker. Dies liegt unter anderem daran, dass die gesetzlichen Höchstmengen für Steviolglykoside eingehalten werden müssen. Auch werden diese Süßstoffe Streu- oder Flüssigsüßen beigemischt. Allerdings: Der Anteil von Stevia liegt hier bei unter einem Prozent! Hauptbestandteile sind andere Zuckerarten wie beispielsweise Erythrit. Dennoch werden diese Süßstoffe mit dem Schriftzug „Stevia“ beworben.

Der Zusatzstoff E960 ist mittlerweile in Erfrischungsgetränken, Marmeladen, Joghurts, Ketchups, Bonbons, Lakritze und Schokolade enthalten.

Gesundheitlicher Nutzen?

Stevia oder Steviolglykoside sind unverdaulich und enthalten somit keine Kalorien. Daher ist es für Diabetiker oder eine kalorienfokussierte Ernährung von Vorteil. Allerdings sollten Sie Produkte, die Stevia enthalten auch nicht in allzu großen Mengen konsumieren, da die oft mitverarbeiteten Zuckerersatzstoffe in größeren Mengen häufig abführend wirken.

Zudem können Steviolglykoside – wie eigentlich alle Süßstoffe – keinen Karies auslösen. Angeblich soll Stevia blutzucker- und blutdrucksenkend, gefäßerweiternd und antimikrobiell wirken. Diese Wirkungen sind jedoch wissenschaftlich alle nicht bewiesen. Aussagen zu gesundheitlichen Wirkungen von Stevia oder Steviolglykosiden, so genannte „Health Claims“, sind daher auf Lebensmitteln nicht zugelassen. Allerdings wurden auch Bedenken, dass Stevia krebserregend und erbgutschädigend sei, durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem Gutachten ausgeräumt, solange die Höchstmengen eingehalten werden. Diese liegen bei vier Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Daher sollten Sie vor allem bei Kindern darauf achten, dass durch den Konsum verschiedener Lebensmittel, die Steviolglykoside enthalten, dieser Höchstwert nicht überschritten wird.