Bürgermeister- oder Pastorenstück – Kenner schätzen das kleine dreieckig geformte, zartfaserige Teilstück vom Rind, das einst wichtigen Personen der Dorfgemeinschaft vorbehalten war. Doch wovon hängt die Wertigkeit eines Stückes Rindfleisch ab und welche Garmethode zaubert eine kulinarische Köstlichkeit aus den unterschiedlichen Teilstücken hervor? Erfahren Sie mehr zu Fleischqualität und zur Vielseitigkeit von Rindfleischgerichten in der Küche.
Harte Schuhsohle oder butterweicher Fleischgenuss, viele von uns haben bereits die unerfreuliche Erfahrung gemacht: Rindfleisch ist nicht gleich Rindfleisch. Die Qualität hängt dabei nicht allein vom ausgewählten Fleischstück ab. Alter, Rasse oder Haltungsbedingungen der Tiere spielen ebenso eine Rolle, wie die Gegebenheiten bei der Schlachtung der Tiere oder der Fleischreifung. Zu guter Letzt liegt es in unserer Hand, ob wir durch die Auswahl der richtigen Garmethode in den Genuss eines zarten Stückes Rindfleisch gelangen.
Woher unser Rindfleisch stammt
Bevor wir näher auf die anatomischen Eigenheiten des Rindes und ihren Einfluss auf den Genusswert zu sprechen kommen, noch einige grundlegende Hintergrundinformationen: Rinder lassen sich einteilen nach Alter oder Geschlecht, so gibt es Jungbullen, Ochsen, Färsen oder Kühe. Bei letzteren handelt es sich um weibliche Rinder, die bereits gekalbt haben, wogegen weibliche Jungtiere vor der ersten Kalbung als Färsen bezeichnet werden. Ochsen sind kastrierte männliche Rinder. Unser Rindfleisch stammt überwiegend aus der Mast von Jungbullen, die ein feinfaseriges, zartes und saftiges Fleisch aufweisen. Auch Ochsen liefern eine sehr gute Fleischqualität. Bedingt durch die Kastration wachsen sie jedoch nur begrenzt, weshalb ihre Bedeutung als Fleischlieferant gering ist. Das Fleisch älterer Tiere, wie das von ausgedienten Milchkühen ist grobfaserig und fester. Es wird daher zur Herstellung von Hackfleisch etwa für Burgerpatties verwendet.
Zunächst noch ein kleiner Exkurs zum Thema Kalbfleisch. Bei Kalbfleisch handelt es sich um Rinder mit einem maximalen Schlachtalter von acht Monaten. Das Alter bei der Schlachtung spielt dabei eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Fleischqualität. Diese gilt als besonders zart, da sich bei diesen jungen Tieren die Muskulatur noch nicht vollständig entwickelt hat und das Bindegewebe noch weich ist. Je nach Fütterung erhält das Fleisch eine hellrote, rosa oder weißliche Farbe. So sorgt ein hoher Anteil an Grünfutter für roteres Fleisch, wogegen eine Fütterung mit Grünfutter und Vollmilch für eine hellrosa Fleischfarbe sorgen. Die sogenannten Milchkälber werden nur mit Milch gefüttert, sodass ihr Fleisch besonders mager und weich ist.
Welche Rinderrassen sind die besten?
Welche Rinderrassen werden denn nun für die Fleischerzeugung eingesetzt? Dabei handelt es sich um sogenannte Fleischrassen. Diese weisen einen besonders hohen Fleischansatz auf mit einer besseren Struktur – ganz im Gegensatz zu den Milchkühen. Beispiele für Fleischrassen sind die österreichisch-bayrischen Pinzgauer, die französischen Charolais oder das schottische Hochlandrind. Besonders bekannt ist auch das Wagyu Rind. Dessen Fleisch gilt aufgrund der feinen Faserung und Fettmarmorierung als besondere Delikatesse, die einen unvergleichbaren, leicht nussigen Geschmack aufweist und wie Butter auf der Zunge zergeht. Nicht nur geschmacklich hat das Wagyu Rind einiges zu bieten. Auch hinsichtlich seiner Nährstoffe kann es gegenüber seinen Verwandten besonders auftrumpfen, denn das Fett des Wagyu Rinds enthält den größten Anteil an Omega-3-Fettsäuren und wird daher häufig als das gesündeste Fleisch bezeichnet. Nicht zuletzt daher ist das Fleisch des Wagyu Rinds mit das teuerste Rindfleisch weltweit.
Übrigens: Bei Kobe-Rindern handelt es sich um Wagyu Rinder, die in der japanischen Region Kobe aufgezogen werden. Um ihre Aufzucht ranken sich vielerlei Mythen. Sie würden mit Bier gefüttert, täglich massiert und mit klassischer Musik beschallt werden. Fest steht, dass diese Tiere besonders stressfrei und in kleinen Herden aufwachsen. Der besondere Aufwand bei der Aufzucht und die hervorragende Qualität des Fleisches äußern sich jedoch auch im Preis. Gourmets müssen tief in die Tasche greifen, denn diese japanische Spezialität wird mit etwa 400 – 600 EUR je Kilogramm gehandelt.
Kommen wir nun zur Zubereitung. Wenn wir über die Verarbeitung von Rindfleisch in der Küche sprechen, ist es unabdingbar, einige Worte über die Anatomie des Rindes zu verlieren. Der Grund: Jedes Teilstück bringt seine eigenen geschmacklichen Vorzüge und Anforderungen an die Zubereitung mit sich.
Schlachtkörperanatomie: Von Teilstücken und ihrer Verwendung in der Küche
Dieses Thema könnte ebenso mit der Überschrift „Die Qual der Wahl“ versehen sein. Denn das Rind bietet zahlreiche Teilstücke, aus denen mithilfe geeigneter Zubereitungsarten köstliche Fleischgerichte gezaubert werden können. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Fleisch aus stärker beanspruchten Teilen des Tieres gröbere Muskelfasern aufweist und sich daher eher für längere Garmethoden eignet. Dazu gehören das Pochieren, also das Kochen in Salzwasser, oder das Schmoren, bei dem das Fleisch zunächst angebraten und anschließend in Flüssigkeit weiter gegart wird.
Zarte Fleischstücke stammen eher aus geringer beanspruchten Teilen, wie den Innenseiten der Keulen oder dem Rinderrücken. Diese wertvollen Fleischpartien sind auch zum Kurzbraten geeignet. Wie ein Rind zerlegt wird, hängt vom Kundenwunsch ab und ist auch regional unterschiedlich. Auch bei den Verwendungsmöglichkeiten verschiedener Teilstücke gibt es aufzucht- und rassenbedingte Unterschiede. So lassen sich viele Stücke US-amerikanischen Fleisches kurzbraten oder grillen, während sie hierzulande nur für Schmor- oder Kochfleisch geeignet sind. Hierzulande werden folgende Teile des Rinderschlachtkörpers für die bekannten Gerichte wie Steak, Braten, Gulasch oder Ragout verwendet:
Die Keule
Die Keule, der obere hintere Teil des Schlachtkörpers, besteht aus Hüfte, Ober- und Unterschale und Kugel. In der Kugel, auch Nuss genannt, finden wir das eingangs erwähnte Bürgermeister- oder Pastorenstück, das aus kurzfaserigem, besonders zartem Fleisch besteht. Die Oberschale liefert Fleisch aus der Innenseite der Rinderkeule. Es kann je nach Zuschnitt, ob mit oder ohne Deckel, als großer Braten und Schmorfleisch, oder für Rouladen, Steaks und Tatar verwendet werden. Das Fleisch der Unterschale wird für Schmorgerichte, aber auch für Rouladen und Rostbraten verwendet. Die Hüfte liefert wunderbares Fleisch für die Zubereitung von Braten, aber auch für kurzgebratene Hüftsteaks. Sie umfasst auch den Tafelspitz, der seinen Namen durch sein spitz zulaufendes Ende erhält, und welcher sich zum Schmoren, Braten oder für die Herstellung von Geschnetzeltem eignet.
Der vordere Teil
Der vordere Teil des Rinderschlachtkörpers umfasst neben Vorderbein, Fuß und Kopf, auch die großen Teile Schulter, Bug und falsches Filet. Letztere Teile lassen sich gut zum Schmoren oder Kochen einsetzen, etwa für Gulasch oder auch Sauerbraten. Beinfleisch und Beinscheiben, die mit Knochen angeboten werden, sind stark beansprucht und deshalb bindegewebsreich. Beinfleisch wird daher zum Kochen oder Schmoren verwendet und Beinscheiben zur Zubereitung geschmacksintensiver Rinderbrühen. Durch das lange Köcheln wird die Gelatine aus dem Kollagen des Bindegewebes und der Sehnen gelöst und das langfaserige Fleisch nach und nach mürbe.
Die Rückenteile
Die Rückenteile des Rinds setzen sich aus Fehlrippe, hoher Rippe, Hochrippe und Rinderrücken, Roastbeef und Filet zusammen. Das Fleisch der Fehlrippe ist sehr zart, daher eignet es sich in Scheiben geschnitten, sogar zum Kurzbraten auf dem Grill oder in der Pfanne. Im Ganzen kann es wie auch die hohe Rippe zum Schmoren und Braten, beispielsweise als Gulasch oder Sauerbraten verwendet werden. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der ähnlich lautenden, aber qualitativ höherwertigen Hochrippe um zartfaseriges und gut marmoriertes, saftiges Fleisch, aus dem auch Ribeye-Steaks geschnitten werden können. Damit eignet es sich zum Kurzbraten, ansonsten aber auch zum Braten im Ganzen.
Roastbeef ist zartes Fleisch, das ebenfalls im Ganzen oder in Scheiben gebraten werden kann. Bekannt ist das Entrecôte, das aus dem mittleren Roastbeef geschnitten wird. Besonders beliebt ist natürlich das Filet, bei dem es sich um die von Fettgewebe abgetrennte Lendenmuskulatur handelt. Deshalb ist es besonders mager und eignet sich in Steaks oder Medaillons geschnitten, hervorragend zum Kurzbraten. Welchen Garpunkt bevorzugen Sie bei solch zarten Fleischstücken? Manche mögen es „englisch“, rot oder blutig. Dabei wird eine Kerntemperatur des Fleisches von ca. 45°C erreicht. „Medium rare“ erhalten wir unser Gourmetstück bei einer Kerntemperatur von 55°C, wogegen eine Temperatur von 60°C zu einem rosa gebratenem, auch „Medium“ genannten Ergebnis führt. Wer es lieber durchgebraten, also „well done“ mag, sollte bei der Zubereitung auf eine Kerntemperatur von mind. 70°C kommen.