Fragt man renommierte Sommeliers und Weinkenner nach einem der am meisten unterschätzen Weine Europas, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie spanischen Sherry nennen. Warum das so ist und was  Sie über Sherry sonst noch wissen sollten, verrät Ihnen Liebherr-Weinexperte Frank Kämmer.

Während der berühmte Wein aus Andalusien in weiten Kreisen heutzutage eher als ein etwas aus der Mode gekommener Aperitif angesehen wird, schwärmen Fachleute von der unverwechselbaren Persönlichkeit, den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und dem überragenden Preis-Genuss-Verhältnis, das ein gute Flasche Sherry bieten kann. Wer jedoch die Faszination dieses Weinklassikers wirklich verstehen will, muss eine genaueren Blick auf seine Herkunft und Herstellung werfen.

Wo der Sherry angebaut wird

Jerez de la Frontera ist die Hauptstadt und der Namensgeber der Weinregion im Südwesten von Andalusien, unweit der Atlantikküste und der Mündung des Guadalquivir. Gemeinsam mit den kleineren Städten El Puerto de Santa María und Sanlúcar de Barrameda bildet Jerez ein Dreieck, in dem das genau definierte Anbaugebiet für Sherry liegt. Nur in dieser von weißem Kalksteinboden und dem unablässig abwechselnd land- und seewärts blasendem Wind beeinflussten Region dürfen die Rebsorten Palomino, Pedro Ximénez und Moscatel für die Erzeugung von Sherry wachsen. Doch der daraus gewonnene Wein hat zunächst noch wenig mit dem eigenständigen Geschmacksbild des Sherrys, so wie wir es kennen, zu tun.

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Sherry hat seinen Ursprung im spanischen Jerez La Frontera

Was Sherry so besonders macht

Erst durch den entsprechenden Ausbau in jahrhunderteralter Tradition gewinnt der Sherry seinen unverwechselbaren Charakter. Grundsätzlich wird jeder Sherry zunächst aufgespritet, also durch die Zugabe von Alkohol verstärkt. Dann erfolgen zwei eigenwillige Reifemethoden, die so typisch und unverkennbar für Andalusien sind wie die berühmten Werbetafeln mit dem schwarzen Stier  in der Landschaft. Die Weine der Rebsorte Palomino werden dazu in alten, 600 Litern fassende Eichenholzfässern ausgebaut, die jedoch nicht ganz voll gefüllt werden. Auf der Weinoberfläche im Fass kann sich somit ein Schleier von natürlichen Hefen ausbilden und zu einer Flor genannten Schicht ausbilden. Dieser Flor schützt den Sherry vor Oxidation und gibt ihm seinen typisch herben, mandeligen Geschmack. Solcherart gereifte Weine werden dann als Fino bezeichnet und machen den größten Teil der Erzeugung in diesem Anbaugebiet aus. Bildet sich jedoch nach einiger Zeit im Fass die Florschicht zurück, so beginnt eine zusätzlich oxidative Reifung, und es entsteht die etwas körperreichere, nussigere Weinart Amontillado. Es gibt jedoch auch Fässer, bei denen von Anfang an überhaupt kein Florentwicklung angestrebt wird und somit sofort eine Reifung unter Sauerstoffeinfluss stattfindet. Diese kräftigsten und dunkelsten Sherrys werden dann als Oloroso bezeichnet. Ohne diese Florreifung werden aber auch die reichhaltigen Süßweine aus den Rebsorten Pedro Ximénez und Moscatel ausgebaut.

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Diese kräftigsten und dunkelsten Sherrys werden als Oloroso bezeichnet

Reife in Soleras

Eine weitere typische Besonderheit des Sherrys ist, dass dieser üblicherweise in sogenannten Soleras reift. Hierunter versteht man eine traditionelles Reifesystem, bei dem in lange Fassreihen stets der älteste Wein aus den untersten Fässern zu einem Teil abgezogen und dann abgefüllt wird, und mit dem nächstältesten aus der darüber liegenden Fassreihe aufgefüllt wird. Diese Solera-Fassreihen werden teilweise schon seit über 100 Jahren betrieben und entwickeln dadurch einen eigenen, auch über die Jahrgangsunterschiede hinweg stets gleichbleibenden Charakter. All diesen Weinen ist jedoch gemein, dass ihre aufwändige Erzeugung und oftmals betörende Qualität meist in einem geradezu absurden Verhältnis zu deren doch recht günstigem Preis steht.

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Sherry reift in Soleras

Zu diesen Speisen eignet sich Sherry besonders

Und anders als bei uns oft angenommen, wird Sherry in seiner andalusischen Heimat auch keinesfalls nur als Aperitif getrunken, sondern vielmehr auch als Wein zum Essen. So gilt der Fino als idealer Partner zu den berühmten luftgetrockneten spanischen Schinken, Meeresfrüchten oder Tapas, die klassischerweise diesen Weintyp begleiten. Amontillados können hingegen auch sehr gut zu Fleisch- und Geflügelgerichten getrunken werden und Olorosos gelten nicht nur als klassischen Begleiter zu intensiven klaren Fleischsuppen, sondern passen auch zu Wildgerichten oder Käse überraschend gut. Mit den vollfruchtigen Moscatel-Süßweinen und den likörartigen, hochkonzentrierten Pedro Ximénez schließlich (von Kennern gerne als PX abgekürzt), lassen sich zahlreiche Desserts bis hin zu Schokolade wunderbar begleiten. Wichtig dabei ist jedoch: Ein trockener Sherry im Fino-Stil sollte wie ein frischer Weißwein stets gut gekühlt getrunken werden. Je kräftiger, dunkler oder süßer der Sherry-Typ ausfällt, um so eher darf der Wein auch kellerfrische bis leicht temperiert getrunken werden.

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Sherry harmoniert perfekt mit spanischem Serrano-Schinken