In-vitro-Fleisch stellt eine revolutionäre Produktentwicklung dar, die jedoch noch in den Kinderschuhen steckt. Wir erklären Ihnen alle relevanten Fachbegriffe. Erfahren Sie außerdem, welches Zukunftspotential In-vitro-Fleisch mitbringt und wo noch Forschungsbedarf besteht.

Was ist In-vitro-Fleisch?

In der Wissenschaft werden mit „In vitro“ Vorgänge beschrieben, die nicht in einem lebenden Organismus, sondern im Reagenzglas unter kontrollierten Laborbedingungen ablaufen. Im Gegensatz dazu finden Vorgänge, die als „In vivo“ beschrieben werden, im lebenden Organismus statt.

Als In-vitro-Fleisch wird also jenes Fleisch bezeichnet, das nicht durch die herkömmliche Tierhaltung, also durch Aufzucht und Schlachtung von Tieren, entstanden ist. Stattdessen wächst In-vitro-Fleisch im Bioreaktor zu einem Stück Fleisch heran. Gängigere Begriffe für diese Art von Fleisch sind „Laborfleisch“ oder „kultiviertes Fleisch“. Die Formulierung „kultiviertes Fleisch“ wird besonders im alltäglichen Sprachgebrauch und von der Industrie verwendet.

Für die Herstellung von In-vitro-Fleisch werden Muskelzellen von Tieren entnommen und unter kontrollierten Laborbedingungen gezüchtet. Nach langjähriger Forschung ist es nun möglich, diese Tierzellen in einem Nährmedium zu kultivieren. Dabei entsteht Muskelgewebe, das identisch ist mit konventionellem Fleisch aus der Tierhaltung.

In-vitro-Fleisch schmeckt und riecht genau wie das bereits bekannte Fleisch. Auch die Textur und Zubereitung bleibt gleich. Rezepte können also genau so übernommen werden und auch die Kühlung und Haltbarkeit bleiben bei In-vitro-Fleisch gleich.

Schnellinfo Herstellung von In-vitro-Fleisch

  • In-vitro-Fleisch entsteht außerhalb eines lebenden Organismus.
  • Andere Bezeichnungen für In-vitro-Fleisch sind „Laborfleisch“ oder „kultiviertes Fleisch“.
  • Muskelzellen von Tieren werden entnommen und im Labor kultiviert.
  • Das Endprodukt, Muskelgewebe, ist identisch mit konventionellem Fleisch.
  • In-vitro-Fleisch behält Textur, Geschmack, Zubereitung und Haltbarkeit von konventionellem Fleisch.

Auch wenn die Kultivierung von Fleisch im Labor auf den ersten Blick ungewohnt erscheint, schmeckt es genauso wie das Fleisch, das wir kennen.

Nachhaltigkeit von In-vitro-Fleisch

In-vitro-Fleisch bietet das Potential, die Umweltbelastung im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion zu verringern. Die aktuelle Fleischproduktion erzeugt sehr hohe Treibhausgasemissionen und trägt erheblich zum Klimawandel bei. Auch der Land- und Wasserverbrauch ist beträchtlich, sowohl durch den Anbau von Futtermitteln in Monokulturen als auch durch die Tierhaltung selbst.

Durch die alternative Kultivierungsmethode von In-vitro-Fleisch kann der Bedarf an Land und Wasser durch verringerte Tierhaltung und einen geringeren Bedarf an Futtermitteln reduziert werden. In Folge könnten auch die durch die Fleischproduktion entstehenden Treibhausgasemissionen sinken.

Allerdings ist die Kultivierung von In-vitro-Fleisch energieintensiv. Es werden sterile Laborbedingungen benötigt, um das Fleisch keimfrei zu kultivieren und anschließend auch verzehren zu können. Dafür müssen die entsprechenden Gebäude und Anlagen gebaut und regelmäßig kontrolliert werden. Inwiefern diese Produktion am Ende klimafreundlicher ist, wird hauptsächlich davon abhängen, welche Art von Energie verwendet wird. Erneuerbare Energien sind notwendig, wenn die Produktion im größeren Stil klimafreundlich sein soll.

Aktuell werden die tatsächlichen Daten der konventionellen Fleischproduktion mit Schätzwerten der In-vitro-Fleisch Produktion verglichen. Denn es liegen keine Daten für die Herstellung von In-vitro-Fleisch im großen Stil vor. Es ist allerdings anzunehmen, dass der Energiebedarf zusätzlich von der Tierart abhängt, die kultiviert wird. So sollen In-vitro-Schweine- oder -Hühnerfleisch energieintensiver sein als In-vitro-Rindfleisch.

Schnellinfo Ressourcenverbrauch von In-vitro-Fleisch

  • Konventionelle Fleischproduktion trägt durch Treibhausemissionen, sowie Land- und Wassernutzung wesentlich zum Klimawandel bei.
  • In-vitro-Fleisch benötigt weniger Futtermittel, Land und Wasser.
  • In-vitro-Fleisch benötigt sterile Laborbedingungen, die energieintensiv sind.
  • Erneuerbare Energien sind notwendig, um In-vitro-Fleisch klimafreundlich zu gestalten.

Ethische Fragen rund um In-vitro-Fleisch

In-vitro-Fleisch kommt ohne Massentierhaltung aus. Die Tötung von Tieren ist allerdings trotzdem zurzeit noch notwendig, denn die Basis für In-vitro-Fleisch bleibt tierisches Zellgut. Diese Rinder, Schweine oder Hühner werden also weiterhin gezüchtet und gehalten. Die für In-vitro-Fleisch erforderlichen Stammzellen müssen von lebenden Tieren entnommen werden. Anschließend kann aus einer Zellprobe mehr als eine Tonne Fleisch produziert werden. Somit müssen weniger Tiere gehalten werden und eine Verbesserung der Haltungsbedingungen kann zusätzlich angestrebt werden.

Offen bleibt, ob die Tierhaltung tatsächlich zugunsten der Tiere verbessert wird und wie schmerzhaft die Zellentnahme für die lebenden Tiere ist. Außerdem wird in der aktuellen Forschungsphase an Tieren getestet.

Bisher ist auch das Nährmedium, welches das Wachstum von In-vitro-Fleisch fördert, tierischen Ursprungs. Ein geeignetes Nährmedium muss unter anderem wichtige Vitamine, Proteine und Wachstumsfaktoren beinhalten. Bislang ist die beste Lösung das so genannte fetale Kälberserum. Das Serum wird aus dem Blut von Kälberföten gewonnen, einem ungeborenen Kalb im frühen Entwicklungsstadium. Der Fötus verstirbt nachdem ihm das Blut abgenommen wurde. Dadurch ist die aktuelle Herstellungspraktik von In-vitro-Fleisch nicht tierleidfrei.

Alternative Nährmedien werden aktuell erforscht. Zum Beispiel könnten Pilze, Hefen oder Algen verwendet werden, um geeignete Nährmedien zu produzieren. Eine passende Rezeptur, die für jede Zellart verwendet werden kann, besteht aktuell jedoch nicht. Auch die Produktion eines solches Mediums wird zusätzlich Geld kosten und energieintensiv sein.

Schnellinfo Tierhaltung und Tierleid bei In-vitro-Fleisch

  • Aus den Zellen eines Tieres kann mehr als eine Tonne Fleisch produziert werden.
  • Durch die geringe Zahl an benötigten Tieren ist es theoretisch möglich, die Haltungsbedingungen wesentlich zu verbessern.
  • Es ist unklar, wie schmerzhaft die Entnahme der Zellen für die Tiere ist.
  • Aktuelle Forschung basiert auf Tierversuchen.
  • Aktuell wird als Nährmedium fetales Kälberserum verwendet. Das Serum stammt aus dem Blut von ungeborenen Kälbern in einer frühen Entwicklungsstufe.
  • Ein alternatives Nährmedium konnte bisher noch nicht gefunden werden.

In-vitro-Fleisch ist ein interessantes Zukunftsthema, an dem noch viel geforscht wird.

Aktueller Forschungsstand von In-vitro-Fleisch

Die Idee von In-vitro-Fleisch ist nicht neu. Bereits in den 1930er Jahren wurde von der künstlichen Herstellung von Fleisch gesprochen. Bedeutende Fortschritte in der Entwicklung der Kultivierungsverfahren entstanden allerdings erst in den letzten Jahren. Vor allem in Singapur und den Vereinigten Staaten wurden verschiedene Produkte zugelassen. Bis die Forschung die europäischen Standards erreicht, wird es jedoch noch einige Jahre dauern.

Bisher ist In-vitro-Fleisch auf dem deutschen und europäischen Markt nicht erhältlich. Es gibt einzelne Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die sich der Weiterentwicklung angenommen haben. Bisher gab es weltweit bereits verschiedene Verkostungen von Burgerpatties. Auch einzelne Rindersteaks mit einer ausgeprägter Fettmaserung konnten getestet werden. Allerdings ist die Produktion bislang nur in kleinem Maßstab gelungen und noch nicht auf eine größere Menge übertragbar.

Viele Experten sehen ein großes Potential in der weiteren Entwicklung von In-vitro-Fleisch. Vor allem als nachhaltige Alternative zur konventionellen Fleischproduktion soll In-vitro-Fleisch hoch gehandelt werden.

In-vitro-Fleisch ist eine revolutionäre Technologie mit viel Forschungspotential. In den kommenden Jahren wird in Sachen Nachhaltigkeit jedoch weiterhin reduzierter Fleischkonsum und eine Mischung aus konventioneller und biologischer Tierhaltung an erster Stelle stehen.

Neben der Meinung der Experten und Investoren, zählt natürlich besonders die Meinung der breiten Masse. Können Sie sich vorstellen in Zukunft ein zartes Steak aus dem Labor zu probieren? Das eher junge Thema ist bisher gesellschaftlich noch nicht weit verbreitet. Mit der weiteren Forschung zu In-vitro-Fleisch werden auch größere Aufklärungskampagnen kommen, die viele Menschen informieren.

Aktuell scheint es noch einige Jahre an Forschung zu benötigen, um erste Produkte auf den Markt zu bringen. Diese werden dann auch nur im Luxussegment und der gehobenen Gastronomie erhältlich sein. In den kommenden Jahren wird In-vitro-Fleisch noch nicht in den Kühltheken unserer Supermärkte liegen, da die Forschung und Produktion mit der dauerhaften Kühlung zu teuer ist und noch nicht im großen Maßstab durchgeführt werden kann.

Schnellinfo Potential und Limitation von In-vitro-Fleisch

  • In den letzten Jahren wurden große Forschungsdurchbrüche in der Produktion von In-vitro-Fleisch erzielt.
  • Es benötigt weitere Jahre der Forschung, bis ein geeignetes Produkt in der EU zugelassen wird.
  • Die ersten Produkte werden für das Luxussegment und einzelne, hochwertige Restaurants erwartet.
  • In-vitro-Fleisch ist in den nächsten Jahren noch nicht für die Kühltheke im Supermarkt in Aussicht.
  • In-vitro-Fleisch wird keine nachhaltige Universallösung sein. Stattdessen muss auch in Zukunft auf reduzierten Fleischkonsum gesetzt werden.